Anfang März 2024 habe ich beschlossen mich für den Zugspitz Ultratrail (ZUT) mit 106 km und 5080 Höhenmetern anzumelden. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits im Coaching bei meiner Trainerin Anna Hughes, die mich auch weiter bis zum ZUT gecoacht hat.
Am Donnerstag, den 13.06.2024 bin ich gemeinsam mit meiner Mama nach Garmisch-Partenkirchen angereist. Wir hatten eine kleine Unterkunft in Garmisch, welche fußläufig vom Bahnhof und auch nur ca. 10 Minuten vom Eventgelände des ZUT entfernt war. Am Donnerstag fand um 18 Uhr bereits das Racebriefing statt, wo es nochmals letzte Updates zur Strecke und zum Wetter gab. Außerdem habe ich hier direkt meine Startnummer geholt und mich auf der Expo umgeschaut, wo es auch einige kostenlose Goodies für Läufer gab.
Am Freitag habe ich gemeinsam mit meiner Mama in einem schönen Lokal draußen gefrühstückt und ansonsten haben wir diesen Tag sehr gemütlich gestaltet. Ich habe mittags meine Sachen gepackt und mich dann einfach noch etwas in unserer Unterkunft entspannt. Gegen 20:30 Uhr sind wir los zum Start gelaufen. Am Start habe ich direkt meinen Dropbag abgegeben und nun hatte ich noch etwa 1,5 Std Zeit, bis es losgehen sollte
Pünktlich um 22:15 Uhr fiel der Startschuss mit dem Lied „Highway to Hell“, welches live von einer Blaskapelle gespielt wurde. Die ersten 500 Meter ging es durch die Stadt vorbei an jubelnden Menschen und ich war total überwältigt wie viele Zuschauer an der Strecke waren. Ich bin sehr gemütlich gestartet und wollte langsam in mein Tempo finden, wurde anfangs jedoch sehr viel überholt, da ich anscheinend sehr weit vorne gestartet bin. Direkt nach 5 Kilometern ist mir auch schon ein erstes Missgeschick passiert. Als ich aus meiner Flask mit Wasser trinken wollte, ist mir mein Trinkverschluss abgefallen. Ich habe gestoppt und mit meiner Stirnlampe versucht den Verschluss auf dem Weg zu finden. Allerdings war er nicht auffindbar, sodass ich wusste, dass ich von nun an mit nur noch 2 von 3 Flasks auf 100km auskommen musste. Ich machte mir aber keine größeren Sorgen, da ich die 3. Flask eh als Reserve vorgesehen hatte und wusste, dass ich mit nur 2 Flasks auch durch das Rennen kommen kann.
Kurz darauf ging es das erste Mal in den Wald. Hier bildete sich kurz ein kleiner Stau und dann ging es das erste Mal auf den Trail bergauf. Die ersten Kilometer bergauf liefen sehr gut und entspannt und so war ich deutlich schneller als erwartet an der 1. VP bei Km 11 am Eibsee angekommen. Hier fragte ich an der VP, ob sie einen Ersatzverschluss für meine Flask haben. Leider hatten sie dies nicht und so beschloss ich meine 3. Flask aus der hinteren Rucksacktasche mit meiner forderen Flask auszutauschen um vorne wieder 2 funktionsfähige Flasks zu haben. Nach nur einer kurzen Pause und neu aufgefüllten Flasks bin ich schnell wieder auf die Strecke.
Die weitere Strecke sollte erstmal länger bergauf führen und ich war sehr gut in meinem Tempo und habe mich allgemein recht fit gefühlt. Ich habe von Anfang an alle 30 min ein Gel zu mir genommen. Hierfür hatte ich mir einen Timer auf meiner Uhr eingestellt. Dies hat auch bis zum 6. Gel sehr gut funktioniert. Nun merkte ich jedoch, dass ich das letzte Gel kaum runter bekam und mein Magen sich etwas komisch anfühlte.
Ich musste die nächsten 30 min immer wieder kurz langsamer laufen um meinen Magen zu schonen. Als ich nach ca. 3,5 Std an der 2. VP an der Gamsalm ankam, merkte ich, dass mir leicht übel wurde. So beschloss ich nichts zu essen und nur meine Flasks aufzufüllen. Kurz nach der 2. VP musste ich mich dann übergeben, was jedoch erstmal dazu führte, dass ich mich besser fühlte. Ich machte nun bewusst langsam, aber hatte direkt das Gefühl, dass es meinem Magen nun besser ging. So ging ich sehr bedacht weiter und habe beschlossen erstmal nichts weiter zu mir zu nehmen, damit sich der Magen beruhigen kann. Ich wusste jedoch, dass ich mich weiter verpflegen muss um die 106km zu schaffen, daher habe ich nach ca. 1,5 Std das erste Mal wieder ein halbes Gel zu mir genommen, welches ich auch erstaunlicherweise ohne Probleme vertragen habe. Ich habe trotzdem gespürt, dass mir immer noch Energie fehlte. Tatsächlich bekam ich nun auch wieder Appetit, allerdings auf etwas Herzhaftes zu Essen und ich konnte auch mein Wasser mit Tailwind Energiepulver kaum mehr schmecken. So habe ich dann bis zu VP3 ausschließlich pures Wasser zu mir genommen und wollte dann an der VP schauen, welche Verpflegung meinen Magen anspricht. Als ich bei VP 3 an der Pestkapelle bei Kilometer 27 ankam, merkte ich, dass es nun deutlich kälter wurde. Wir befanden uns nun auf eine Höhe von ca. 1700m und es war ca. 3:30 Uhr mitten in der Nacht. Oben am Berg waren auch nur 2-3 Grad vorhergesagt, daher habe ich mich nun entschlossen meine Handschuhe, mein Buff und meine Regenjacke als Isolationsschicht anzuziehen. An der VP habe ich mir als erstes eine warme Brühe geben lassen, welche mir richtig guttat und wieder Energie in mir geweckt hat. Ich habe mir außerdem noch Tomate-Mozzarella-Sticks und ein paar Scheiben Salatgurke gegönnt. Besonders die Tomaten sind mir richtig gut bekommen. Das Gefühl, wenn die Flüssigkeit der Tomate in den Mund spritzt, hat sich wie ein kleiner Glücksmoment für mich angefühlt. Aus diesem Grund habe ich von nun an bei fast jeder VP zu den Tomaten gegriffen. Gut gestärkt und mit neuer Energie sollte es nun auf den höchsten Punkt der Strecke auf fast 2200m gehen.
Ab ca. 4:30 Uhr konnte man langsam die ersten Umrisse der Berge erkennen und es wurde immer heller. Dies war ein wirklich schöner Zeitpunkt, als nach und nach immer mehr die Umgebung zum Vorschein kam und ich wahrnahm, dass ich umzingelt war von felsigen Bergspitzen. Kurz vor dem höchsten Punkt auf 2200 m konnte man über eine Kuppe den nahenden Sonnenaufgang sehen. Dies war für mich eines der Highlights des gesamten Laufs.
Ich wusste in dem Moment, dass sich jeder Schritt bis hierher gelohnt hat. Ich machte die ersten Fotos des Laufs und nach einer kurzen Verschnaufpause ging es ein Stück bergab, nur um kurz darauf wieder bergauf auf den höchsten Punkt der Strecke zu gelangen. Nach 32 Kilometern und pünktlich zum Sonnenaufgang war ich am höchsten Punkt der Strecke auf dem Wannigsattel auf 2188m angelangt. Allerdings konnte ich den Sonnenaufgang nicht sehen, da die Sonne hinter einem anderen Berg verdeckt war. Ich setzte nun meine Stirnlampe ab und der Lauf in den Tag konnte beginnen.
Nun folgte der wahrscheinlich technisch schwierigste Teil der Strecke. Es kam direkt ein Schneefeld, welches sehr steil war und zusätzlich mit einem Seil abgesichert wurde. Ich nutzte das Seil und bin halb gehend und halb rutschend das Schneefeld heruntergekommen.
Kurz darauf kam ein weiteres Schneefeld ohne Seil, welches jedoch immer noch schräg nach unten ging. Hier war ich einmal kurz unaufmerksam und rutschte aus. Die Hanglage reichte aus, dass ich sofort zu rutschen begann und schnell realisierte, dass es schwer wird abzubremsen. Also habe ich nur versucht irgendwie auf dem Popo das Gleichgewicht zu halten und bin mit den Beinen voran im Schnee ca. 50m bergab gerutscht. Dabei habe ich sogar einige Läufer überholt. Am Ende hatte ich zwar einen nassen Po und meine Schuhe waren komplett voll Schnee, aber es war der weniger anstrengendere und definitiv lustigere Weg dieses Schneefeld zu überwinden. Nun folgten immer wieder kleinere Schneefelder im Wechsel mit sehr viel Matsch und nassen Wiesen. Meine Schuhe und Füße waren nun komplett nass, trotzdem versuchte ich immer wieder den besten Weg mit möglichst wenig Matsch und Wasser zu finden.
Die Wege und Wiesen waren teilweise super rutschig und auch ich bin das ein oder andere Mal weggerutscht und meine Hose war voll mit Schlamm. Lustigerweise sahen alle Läufer gleich aus und fast jeder hatte einen dreckigen Po, sodass man genau wusste, dass diese Person auch einmal im Schlamm weggerutscht ist. Einmal bin ich auch mit dem rechten Fuß knöcheltief im Schlamm stecken geblieben, sodass ich dann nicht nur nasse Füße, sondern auch matschige Füße hatte. Das Gute war, dass die Schuhe auch immer wieder sauber wurden, da die nächste Pfütze oder ein kleiner Bach nicht weit waren. Wir mussten im Laufe des Rennens auch einige kleine Schmelzwasser-Bäche durchqueren. Es war schon möglich die Bäche zu überqueren ohne nasse Füße zu bekommen, dafür musste man aber exakt den richtigen Weg über die Steine im Fluss finden. Mir ist dies nicht immer gelungen, sodass ich auch bei den Bachüberquerungen ab und an nasse Füße bekam, was mich aber erstaunlich wenig gestört hat. Ich war nun schon 3,5 Std seit der letzten VP unterwegs und hatte noch ca. 4 km bis zur nächsten VP. Nun folgte ein breiterer Forstweg und ich konnte endlich mal wieder locker laufen lassen und habe hier einige Läufer überholt. Ich war überrascht, wie gut meine Beine noch liefen und auf den nächsten 4 Kilometern bis zur VP konnte ich gut Zeit rausholen.
Als ich an der VP4 bei der Hämmermoosalm bei km 41 ankam, ging ich das erste Mal auf die Toilette und habe mich hier kurz auf eine Bank gesetzt und die Beine hochgelegt. Ich zog jetzt die Handschuhe und die Regenjacke aus, da es nun deutlich wärmer wurde. Nach einer kurzen Stärkung an der VP sollte es wieder einen längeren Weg bergauf hoch auf das Scharnitzjoch gehen. Kurz nach der VP lief ich für ca. 2 km mit einem Läufer zusammen und wir haben einige Zeit gequatscht. Dies war das einzige längere Gespräch des Laufs. Ich fühlte mich weiterhin sehr gut und habe das Scharnitzjoch schneller als erwartet erreicht.
Nun sollte es einen sehr langen Downhill von 1000 Höhenmetern geben. Zum Glück waren die Wege um das Scharnitzjoch nicht mehr ganz so matschig und es gab auch keine größeren Schneefelder mehr. Trotzdem war der Downhill alles andere als einfach und ich musste mich sehr auf die Strecke konzentrieren.
Die 1. Hälfte des Downhills war oben in den Bergen über der Baumgrenze und die 2. Hälfte führte über einen schönen schmalen Trail durch den Wald. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass das Tal nicht näherkam. Als ich schon im Tal war, wartete ich sehnsüchtig auf die nächste VP, wo mein Dropbag auf mich warten würde. Ich freute mich die ganze Zeit schon auf die nächste VP, da ich wusste, dass ich dann schon zwei Drittel der Höhenmeter und über die Hälfte der Strecke geschafft habe. Außerdem freute ich mich auf frische Kleidung und wusste, dass ich mich diesmal umziehen würde.
Kurz vor der VP5 wurde ich mehrfach von sehr schnellen Läufern überholt, welche auf der kürzeren Distanz des Leutasch-Trails mit nur 68 km unterwegs waren. Als ich nach 54 Kilometern in die VP5 am Hubertushof einlief wurde hinter mir auch direkt gerufen, dass die 1. Frau kommt. Es handelte sich hierbei um die 1. Frau des Leutasch-Trails.
An dieser VP wartete eine Überraschung auf uns Läufer, denn es gab frische Holzofen Pizza. Dies kam mir ganz gelegen, denn ich hatte schon wieder richtigen Appetit auf etwas Herzhaftes zu Essen und konnte gerade nichts Süßes mehr sehen. So aß ich mein Stück Pizza während ich mich auf die Suche nach meinem Dropbag machte. Nach ca. einer Minute hatte ein Helfer meinen Dropbag gefunden und ich setze mich erstmal auf eine Bank und zog die Schuhe und Socken aus. Es war eine Wohltat für die Füße kurz aus den Schuhen raus zu kommen. Meine Socken waren immer noch nass und so ließ ich auch meine Füße kurz an der frischen Luft trocknen. Ich entschied mich hier meine lange Hose auszuziehen und auf meine kurze Hose zu wechseln. Außerdem habe ich nun 2 Quetschies aus meinem Dropbag gegessen und noch ein paar Gels für die 2. Hälfte der Strecke in meinen Rucksack gepackt. Erst kurz bevor ich weiterlaufen wollte, habe ich mir frische Socken und meine Schuhe angezogen. Ich habe meinen Dropbag wieder abgegeben und bin mit neuer Kleidung und viel neuer Energie auf den 2. Teil der Strecke.
Nun sollte es 10km fast flach am Fluss entlang gehen. Mal wieder war ich überrascht wie gut die Beine noch liefen und ich konnte dieses Stück in meinem normalen Dauerlauftempo laufen. So kam schon relativ schnell die VP6 bei km 64 beim Schützenhaus in Mittersill. Hier habe ich mich nur kurz gestärkt und bin schnell wieder auf die Strecke. Nun folgte ein kurzer Anstieg und so langsam merkte ich, dass die Beine immer schwerer wurden. Nach diesem kurzen Anstieg erwartete mich eine wellige Strecke auf der es immer mal leicht bergauf und leicht bergab ging. Die flacheren Passagen versuchte ich immer wieder in einen flotten Lauschritt zu kommen, jedoch merkte ich auch hier, dass das Laufen nun nicht mehr so einfach war. Trotzdem erreichte ich etwas schneller als erwartet die nächste VP 7 am Schloss Elmau bei km 76. An dieser VP war richtig Stimmung und jeder Läufer wurde angefeuert bevor er zur VP kam. Als ich hier ankam merkte ich nun doch eine sehr starke Erschöpfung und dass die Oberschenkel langsam zu machten. Ich habe mich hier nur kurz gestärkt und bin schnell wieder losgelaufen, merkte jedoch sofort, dass es von nun an sehr hart werden würde. Das Laufen im Flachen fiel mir nun schon richtig schwer. Ich wusste, dass ich noch ca. 30 km und 1500 Höhenmeter vor mir habe und das Rennen nun erst richtig beginnt.
Vor mir lag wieder ein längerer Anstieg hoch zum Eckbauer. Dies war zwar kein steiler oder technisch schwieriger Anstieg, aber nach über 15 Std auf den Beinen merkte ich, wie die Kraft in den Oberschenkeln nachließ und ich nur noch sehr langsam vorankam.
Hier kam nun auch ein sehr entscheidender Punkt im Rennen, denn ich habe realisiert, dass ich einen fatalen Fehler an der VP 5 gemacht habe. Ich habe nämlich meine beiden Stirnlampen in den Dropbag gepackt, da ich mir dachte, dass ich eh im Hellen ins Ziel laufe und so Gewicht sparen kann. Allerdings kam mir erst jetzt der Gedanke, dass es ja immer noch sein kann, dass ich aus irgendeinem Grund langsamer werde und doch noch in die 2. Nacht komme. Nun hatte ich noch mehr Druck und auch etwas Angst was ich tun sollte, wenn es doch zu spät und dunkel wird. Ich habe mich innerlich so sehr über mich selbst und diesen Fehler geärgert, dass ich total in einem Strudel aus negativen Gedanken gefangen war. Außerdem kam hinzu, dass genau in diesem Abschnitt das erste Mal das Wetter schlecht wurde und es zu regnen begann. Die Erschöpfung, der einsetzende Regen und der Ärger über mich selbst, dass ich die Stirnlampen ausgepackt habe, machten das weitere Rennen nicht gerade leichter. Mental war dies für mich der Tiefpunkt des gesamten Rennens und die Strecke bis zur VP 8 an der Laubhütte hat sich ewig hingezogen.
Als ich an der VP 8 ankam hat es gerade stark geregnet und ich war froh mich kurz unter das trockene Zelt zu stellen, wo sich einige Läufer drängten. Nun stand nur noch der letzte Berg, der Osterfelderkopf, zwischen mir und dem Ziel in Garmisch-Partenkirchen. Es galt noch 20 km und ca. 1000 Höhenmeter zu überwinden. Mental habe ich mich sehr stark auf diesen letzten Berg vorbereitet. Bis jetzt bin ich immer so gelaufen, dass ich noch Reserven für diesen letzten Anstieg habe. Nun wollte ich an diesem Uphill alles aus mir rausholen, denn ich wusste, dass ich stark im Downhill bin und diesen irgendwie ins Ziel laufen kann. Allerdings war mein Mindset immer noch eher negativ eingestellt und ich merkte wie schwer mir das Laufen fiel. Ich wurde immer häufiger von anderen Läufern überholt, da nun hauptsächlich die Läufer des Leutasch-Trails, mit 40km weniger in den Beinen, mit auf der Strecke waren. So spürte ich andauernd einen Läufer direkt hinter mir und schaute immer wieder an welcher Stelle ich ihn passieren lassen kann. Gefühlt habe ich alle paar Minuten einen Läufer an mir vorbeigelassen. Dies hat zusätzlich Energie geraubt, da der Weg ein sehr schmaler Trail hoch Richtung Kreuzeck war.
Langsam hörte ich immer lautere Musik und wusste das dies von der Cheering-Zone vom Kreuzeck kommt. Im Vorhinein habe ich schon mitbekommen, dass man zwischen VP8 und VP 9 an einer Cheering-Zone vorbeikommt und dort ordentlich Stimmung sein sollte. Ich war überrascht, wie früh ich die Stimmung wahrnehmen konnte und dies hat mich tatsächlich aus meinem mentalen Tief zurück ins Rennen gebracht. Die Musik welche man schon früh gehört hat, hat mir wieder in den Kopf gerufen, dass ich ja nun alles geben wollte. Nachdem mich mal wieder ein Läufer überholt hatte, habe ich mir überlegt, dass ich einfach mal versuche so lange wie möglich an ihm dran zu bleiben. Dabei habe ich mir viele verschiedene Motivationssätze vorgesagt und den Läufer vor mir nicht aus den Augen gelassen. Ich war so beflügelt von der Stimmung und habe richtig gemerkt, wie meine eigenen positiven Gedanken mir Kraft gaben und auf einmal war es gar nicht so schwer an dem Läufer dran zu bleiben. Die Musik der Cheering Zone wurde immer lauter und ich konnte nun auch Stimmen wahrnehmen, die uns Läufer angefeuert haben. Ich habe mich nur noch auf diese positive Stimmung fokussiert und bin so deutlich schneller als zuvor den Berg hochgekommen. Auf einmal konnte ich das Ende des Berges und die Menschen der Cheering Zone sehen. Ich war total überrascht, dass ich nicht mehr überholt wurde, seit ich mein Mindset umgestellt habe und bin dem Läufer vor mir komplett hinterhergelaufen.
Noch nie zuvor habe ich so stark gespürt, wie ich nur durch die Kraft meiner Gedanken neue Energie aus mir rausholen konnte und hatte dabei sogar wieder deutlich mehr Spaß am Laufen. Ich habe die Erschöpfung in den Beinen gar nicht mehr so bewusst wahrgenommen, auch wenn ich wusste, dass sie da ist. So kam es, dass ich bis zur VP9 an der Hochalm sogar ein paar Läufer überholt habe. Ab der VP 9 bei km 91 habe ich mich im dichten Nebel befunden.
Ich hatte Glück, dass ich überhaupt noch über den Osterfelderkopf laufen durfte, da kurz nach mir die Strecke aufgrund des Nebels verkürzt wurde. Meine Strategie war, an der VP 9 nochmal alles aufzufüllen und dafür bei VP 10 keine Pause zu machen, da ich wusste, dass der Weg von VP10 bis ins Ziel nicht weit ist.
Es galt nun die letzten 300 Höhenmeter auf den Osterfelderkopf zu bewältigen und von da an sollte es nur noch bergab bis ins Ziel gehen. Die letzten 300 Höhenmeter haben sich jedoch nochmal sehr gezogen und hinzu kaum, dass man immer nur ca. 50m weit sehen konnte und der Weg dann im Nichts endete. Ich hätte den Gipfel des Osterfelderkopf gar nicht wahrgenommen, wenn hier nicht 2 Männer der Bergwacht gestanden hätten, die meinten, dass es jetzt nur noch bergab geht. Die ersten Kilometer runter vom Osterfelderkopf folgte nochmal ein schöner Downhill, nur leider ohne Aussicht. Mitten auf diesem Weg fing es dann noch plötzlich sehr stark zu regnen an. Es kam ein ordentlicher Regenschauer runter, sodass ich schon nach ein paar Minuten sehr durchnässt war. Dazu kam, dass es oben auch relativ frisch war und ich merkte, dass ich an den Beinen leicht auskühlte. Der Regen hat mich jetzt eher angetrieben weiter zu laufen, denn ich wollte einfach nur noch runter vom Berg. Nun kam es, dass es noch 2 x einen kurzen Gegenanstieg gab, worauf ich nicht eingestellt war, da ich dachte, dass es nur noch bergab geht. Der Downhill kam mir endlos vor und ich habe andauernd auf meine Uhr geschaut um zu sehen, wie weit es noch bis zur letzten VP sein muss.
Kurz nachdem sich der Nebel etwas lichtete, erblickte ich die letzte VP am Garmischer Haus bei Kilometer 99. Ich setzte mich hier auf eine Bank unter einen Schirm und habe direkt meine Mama angerufen. Ich sagte ihr, dass ich an der letzten VP angekommen bin und denke, dass ich noch ca. 1 Std bis ins Ziel benötige. Außerdem sagte ich ihr, dass sie mir bitte 2 Jacken fürs Ziel mitbringen soll. Es schüttete hier immer noch aus Eimern und die Helfer an der VP haben direkt jedem Läufer heiße Brühe oder Tee angeboten. Ich wollte jedoch nicht weiter auskühlen und habe mich schnell auf die letzten 7 Kilometer bis zum Ziel gemacht. Über die Wege sind nun teilweise ganze Bäche geflossen und in meinen Schuhen schwappte das Wasser bei jedem Schritt. Irgendwie habe ich nochmal alle Kräfte bündeln können und bin den Großteil des Weges runter gelaufen und habe dabei sogar noch einige Läufer überholt. Nach ca. 5 Kilometern kam ich aus dem Wald raus und es folgten die letzten beiden Kilometer auf Asphalt entlang von Feldern und vorbei am Bahnhof. Hier merkte ich das erste Mal, dass ich komplett ausgepowert war und musste das erste Mal auch im Flachen gehen. Obwohl es keine 2 Kilometer mehr waren, konnte ich mich manchmal nicht mehr aufraffen zu Laufen und bin immer wieder kurz gegangen. Der Regen hatte nun die letzte Energie aus mir rausgesaugt. Es ging noch ein letztes Mal ein paar Treppen über eine Überführung und dann folgten die letzten 500m bis zum Ziel. Hier habe ich nochmal alle Kräfte mobilisiert und bin in dem schnellsten Laufschritt, wie es mir noch möglich war, ins Ziel eingelaufen.
Trotz des schlechten Wetters waren noch einige Zuschauer da, sodass ich den Zieleinlauf wirklich genießen konnte. Im Ziel sah ich meine Mama und sie hat noch schnell ein Zielfoto von mir gemacht und dann wollte ich nur noch ins Warme und mich umziehen.
Dies war definitiv mein bisher härtestes Rennen mit vielen Höhen und Tiefen. Ich bin sehr stolz, dass ich es, bei den nicht immer leichten Bedingungen, trotzdem durchgezogen habe. Es hat sich wieder gezeigt, dass es sich immer lohnt weiter zu machen und nicht aufzugeben. Wenn ich ein Ziel ganz klar vor Augen habe, dann weiß ich, dass ich es schaffen kann.
Da kann man vielen zuhören und bei einem selbst ist es dann doch anders.
Alle halb Stunde ein Gel würde mein Magen auch nicht vertragen. da wäre ich auch raus. Was ich immer nehme, ist Brühe. Und an der Pestkapelle, wo du Brühe nahmst, gab es auch Reis dazu. Der stand hinten und man mußte schauen und fragen. Aber dann hättest du mehr Festes im Magen gehabt, das nicht belastet. Das hilft immer!
Vor dem Wannigjöchel, am Kaltwassersattel, da wo es so richtig kalt zog, war es da schon leicht hell für dich? Nach links kann man da bei ein paar Lichtstrahlen wunderbar ins Zugspitzplatt schauen. Nur, dafür muß man links nach hinten schauen.
Die Sonne war für dich hinterm Scharnitzjoch noch versteckt.
Sehr lustig finde ich, dass du schriebst, nach dem Scharnitzjoch war es nicht mehr so matschig und alle um dich rum haben sich schon nach dem Wannigjöchel lang gemacht. Ich bin erst kurz hinterm Scharnitzjoch das erste mal auf dem Hintern gelandet. Aber dann sah ich vermutlich so aus, wie alle anderen auch. ;-)
Jup, die Pizza war warm und mega lecker. Hab ich auch auf die Faust mitgenommen. ;-)
Toll, wie du das mit dem Ändern des Mindsets beschreibst. Jup, so geht so was! (y) ;-)
Hast du kurz nach dem Osterfelder Kopf eigentlich noch VP-Schnaps getroffen, oder hatten die da weil es nicht mehr in die Runde ging schon abgebaut?
Und ja, die letzten km, wenn man aus dem Wald kommt, waren hart. Habe ich genauso empfunden!
Dem Zielfoto nach, hast du Glück gehabt mit der Stirnlampe. Mich fragte übrigens auch ein Läufer, ob man die Lampe ins Dropbag packen könne. Ich hab meine im Rucksack gelassen. Gehört zur Pflichtausrüstung. Und so viel wiegt die nicht. Das sagte ich ihm auch.
Toll, wie du die Strecke beschrieben hast. Ich konnte jeden Punkt gut nachvollziehen. Der landschaftlich schönste Teil ist eigentlich ab Hammersbach bis Hubertus. Da hast du wenigstens ab Wannigjöchl ne Menge im Hellen genießen können.
Respekt und Glückwunsch zu dem Lauf und dem Bericht! Jup, dein Fazit kann ich auch gut unterschreiben. War schwer dieses Jahr und immer weitermachen ist der Weg! Kannste stolz drauf sein - findet ein Schalk.
;-)
Danke für dein Feedback und auch deine Tipps zum Lauf und zur Ernährung. Ich weiß selbst, dass ich noch viel im Ultralaufen lernen kann und auch das Thema Verpflegung ist jedes Mal eine neue Erfahrung. Von Lauf zu Lauf wird es besser, aber es kommen auch wieder neue Hürden. Du scheinst dich ja gut auszukennen mit den umliegenden Bergn. Ich wusste nie so genau wo ich bin und welche Berge man gerade sieht. Trotzdem war es ein unglaublich tolles Bergpanorama, vor allem morgens zum Sonnenaufgang. VP Schnaps war auch bei mir noch da. Es gab noch das ein oder andere Detail, was ich nicht erwähnt hab. Im Nachhinein fällt einem dann immer noch etwas ein, was man schreiben könnte. Dir dann auch noch herzlichen Glückwunsch zum Finish.